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Über die spricht der Philosoph Jörg Bernardy am liebsten mit Kindern. Warum?

Interview: Josefa Raschendorfer / Illustration: Tanja Laböck

Jörg, du bist Philosoph. Was bedeutet das?
Ich denke über die Welt nach und stelle mir ganz viele Fragen, um die Welt zu verstehen und zu deuten. Am spannendsten finde ich die Fragen, über die man etwas länger nachdenken muss. Zum Beispiel: Wie kommt das Gute in die Welt?

Wieso ist das Fragenstellen wichtig?
Wenn wir uns philosophische Fragen stellen, kann sich unser Blick auf die Welt und unser Leben verändern. Dadurch bleibt das Denken beweglich.

Wann hast du begonnen zu philosophieren?
Ich habe Philosophie an der Universität erforscht. Aber begonnen habe ich schon viel früher. Als ich drei oder vier Jahre alt war, sagte mein Opa zu meiner Mama: »Gib dem Jungen mal einen Hammer mit Holzbrett und Nägeln, damit er lernt, wie man hämmert!« Doch nachdem ich einen Nagel ins Brett geschlagen hatte, drehte ich mich um und fragte nur: »Mama, warum soll ich das eigentlich tun?« Diese Frage nach dem Warum ist schon philosophisch. Außerdem habe ich als Kind gern den Mond beobachtet. Und wenn ich das gemacht habe, sind die Gedanken immer so richtig losgeflogen.

Worüber hast du da nachgedacht?
Ich dachte: Ich bin hier unten auf der Erde, und oben ist der Himmel mit dem Mond. Dann habe ich mir vorgestellt, dass ich auf dem Mond sitzen und auf die Erde schauen könnte – dann wäre die Erde am Himmel! Was der Himmel ist, hängt also davon ab, von welchem Planeten aus du dir diese Frage stellst. Diese Erkenntnis hat mich fasziniert. Übrigens hat der Blick nach oben schon die ersten Fotos: Martina Klein, Tanja Laböck (10); Illustration (klein): Johanna Knor Philosophen zum Nachdenken gebracht

Was fragten sich die ersten Philosophen?
Sie lebten vor über 2500 Jahren. Sie schauten damals in den Sternenhimmel und fragten sich: Was ist das da oben eigentlich? Wie funktioniert die Welt? Und was hat das, was ich da oben sehe, mit mir zu tun? Aber auch heute können wir philosophische Fragen zu jedem Thema stellen. Zum Beispiel: Kann man vom Guten auch zu viel haben? Warum macht Zukunft manchmal Angst? Wozu ist Langeweile gut? Ich habe sogar schon darüber nachgedacht, wie es sich wohl anfühlt, eine Fledermaus zu sein.

Wie kommst du auf solche Fragen?
Ich achte darauf, was mich zum Staunen bringt und was mich neugierig macht. Manchmal fallen einem dann erst mal kleine Fragen ein. Wenn man zum Beispiel die Uhr betrachtet, fragt man sich vielleicht erst einmal: Wie viel Uhr ist es? Man kann aber auch fragen: Ist es für alle Menschen auf der Welt gleich spät? Da beginnt das Staunen, und man gelangt zur philosophischen Frage: Was ist eigentlich Zeit? Da muss man dann schon ein bisschen länger drüber nachdenken.

Ist Philosophie auch etwas für Kinder?
Ja! Ich gehe öfter in Schulklassen und philosophiere mit Kindern. Erst heute Morgen hab ich das wieder gemacht. Dabei haben wir über die Frage gesprochen: Wem gehört die Welt? Und ich habe ganz schön gestaunt, auf welche spannenden Gedanken manche Kinder gekommen sind. Man könnte ja antworten, dass die Welt niemandem gehört. Oder dass sie uns Menschen oder allen Lebewesen der Erde oder vielleicht Gott gehört. Ein Mädchen sagte aber: Die Welt gehört demjenigen, der sie genießt. Das hat mich total beeindruckt.

Wie ist das gemeint?
Darüber kann man jetzt nachdenken. Beim Philosophieren geht es nicht darum, Antworten zu geben, die richtig oder falsch sind. Sondern darum, ganz frei zu überlegen: Gehört mir die Welt, wenn ich viel Land, ein Haus und viele Autos besitze? Oder ist es gar nicht so wichtig, all diese Dinge zu besitzen? Gehört mir die Welt eher, wenn ich mit wachen Sinnen all ihren Reichtum wahrnehme und diesen genieße?

Sind Kinder also gute Philosophen?
Ja. Sie haben einen ganz anderen Blick auf die Welt. Die Erwachsenen denken oft sofort darüber nach, was richtig und was falsch ist. Dadurch werden ihre Gedanken eingeengt. Kinder sagen das, was ihnen durch den Kopf schießt, und ihre Gedanken sind oft fantasievoller. Ich lerne viel von ihnen.

Was kannst du von Kindern lernen?
Dass man keine komplizierten Ausdrücke braucht, um kluge Gedanken auszudrücken! Als ich an der Universität Philosophie erforscht habe, habe ich Wörter benutzt, die viele Menschen nicht kennen. Wenn ich nun mit Kindern philosophiere, benutze ich einfachere Worte. Das hilft mir selbst, die Dinge, über die ich nachdenke, besser zu verstehen.

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