Abenteuer Antarktis
»Die Kinder waren immer in Gedanken mit dabei«
Nach 112 Tagen im Eis ist Stefanie Arndt nach Deutschland zurückgekehrt. Damit endet die große ZEIT LEO-Antarktis-Serie.
Im Interview erzählt die Polarforscherin von ihrer Expedition und was sie von euch gelernt hat.
DIE ZEIT: Steffi, du bist gerade von deiner längsten Antarktis-Expedition zurückgekehrt. Wie war’s?
Stefanie Arndt: Total vielfältig. In den ersten Wochen habe ich mit meinem Team das Meereis untersucht. Später haben wir mehrere Wochen außerhalb der Forschungsstation in einem Eis-Camp verbracht. Dort ist die Zeit superschnell vergangen. Wenn ich aber jetzt überlege, was ich alles erlebt habe, fühlt es sich an, als wäre ich zwei Jahre auf der Neumayer-Station gewesen.
ZEIT: Was war neu bei dieser Expedition?
Steffi: Ich war zum ersten Mal für längere Zeit fort von der Station. Traverse nennen wir das, wenn wir ein Forschungscamp im Eis aufbauen. Allein alles für die Tage vorzubereiten war spannend. Wir haben ja nicht nur Essen und Kleidung gepackt, wir mussten auch viel experimentieren: Wie befestigt man zum Beispiel ein großes Fass mit Diesel sicher auf einem Schlitten? Das war abenteuerlich, und ich habe eine Menge gelernt. Später im Eis natürlich auch.
ZEIT: Was hast du auf der Traverse zum Beispiel gemacht?
Steffi: Ich habe einem Team geholfen, das das Gestein unter dem Eis erforscht hat. Dafür mussten sie Sensoren ins Eis ein- und wieder ausbuddeln. Da hab ich mitgebuddelt. Andere Kollegen haben für ihre Messungen Radarantennen hinter einem Schneemobil hergezogen. Ich saß hintendrauf, hab den Laptop gehalten und aufgepasst, dass die Daten richtig im Computer ankommen.
ZEIT: Und wie war es, im Eis-Camp zu leben?
Steffi: Wie in einer Wohngemeinschaft. Wir hatten Container mit Betten, einer Küche und sogar einer Dusche dabei. Die einen haben für alle gekocht, andere haben gespült, wieder andere haben alles wieder unordentlich gemacht. Abends haben wir zusammengesessen. Das war richtig gemütlich – und interessant! Ich kannte die anderen Kollegen und ihre Forschung vorher gar nicht.
ZEIT: Und wie war deine Zeit im Zelt? Du bist ja für einige Tage mit deinem Kollegen Martin für Messungen mit einem Schneemobil Richtung Südpol gefahren.
Steffi: Genau. Eigentlich war geplant, dass Martin und ich zwei Wochen unterwegs sein werden. Weil es zu stürmisch war, mussten wir die Tour aber verschieben. Deshalb haben wir dann nur ein paar Tage im Zelt übernachtet. Das war umso schöner: Im Zelt zu schlafen fühlt sich trotz Kälte immer so gemütlich an. Die letzte Nacht war aber hart, da hatten wir ungefähr minus 25 Grad.
ZEIT: Klingt anstrengend!
Steffi: Das war es wirklich. Wir waren tagelang draußen, ohne die Möglichkeit, mal richtig warm und trocken zu werden. In manchen Momenten habe ich mich dann nach einem warmen Zuhause gesehnt – zum Beispiel wenn morgens auch noch die Sonnencreme eingefroren war! Zurück auf der Station hatte ich einen dicken Sonnenbrand im Gesicht. Vom vielen Schneemobilfahren hatten sich außerdem die Sehnen in meinen Fingern entzündet. Mittlerweile ist aber alles wieder gut verheilt.
ZEIT: Was wirst du in Erinnerung behalten?
Steffi: Die Menschen, die mich umgeben haben: Es sind immer wieder Kollegen an- und abgereist – ich aber bin geblieben. Das kannte ich so nicht. Wenn ich mit einem Forschungsschiff auf Expedition fahre, bin ich die ganze Zeit mit denselben Menschen zusammen. Hier aber hat sich die Gruppe ständig verändert. Außer mir sind nur neun andere die ganze Zeit geblieben.
ZEIT: Mit denen bist du gemeinsam abgereist?
Steffi: Genau. Als wir abgeflogen sind, hat für das Stationsteam die Überwinterung begonnen. Diese zehn Leutchen zurückzulassen war ein bisschen traurig – wir sind als Team so zusammengewachsen. Während ich nun wieder ins Büro gehe, beginnt für sie vermutlich die spannendste Zeit ihres Lebens.
ZEIT: Was hat bei dieser Expedition so viel Spaß gemacht wie nie?
Steffi: Am Anfang habe ich mir Zeit für Ausflüge genommen – zur Pinguin-Kolonie, zu den Eisbergen. Wir sind auf dem Meereis herumgefahren und haben tolle Videos und Fotos gemacht. Und kurz vor der Abreise habe ich sogar Polarlichter gesehen!
ZEIT: Was wirst du nicht vermissen?
Steffi: Dass man nicht mal auf dem Klo allein ist! Das Badezimmer für die Frauen hat eine Dusche und daneben zwei Klos. Ich war die gesamten vier Monate nie mal allein, auch nachts habe ich mir ja ein Zimmer mit Kolleginnen geteilt – oder ein Zelt mit Martin.
ZEIT: Hattest du Heimweh?
Steffi: Nee, und das ist ganz ungewöhnlich: Bei früheren Einsätzen kam das durchaus vor – besonders an den Tagen, wenn ich zu Hause angerufen habe. Diesmal war ich aber durch WhatsApp die gesamte Zeit mit meiner Familie und mit meinem Freund verbunden. Und die Kinder von ZEIT LEO haben mit all ihren Fragen dafür gesorgt, dass ich gar keine Zeit für Heimweh hatte.
ZEIT: Hat es sich für dich wirklich so angefühlt, als wären die Kinder wie Mitforschende an deiner Seite?
Steffi: Ja, und das ist verrückt, weil ich die Kinder ja nicht selbst getroffen oder gesprochen habe, sondern die Fragen von euch, der Redaktion, weitergeleitet bekommen habe. Ich bin mit den Kinderfragen dann losgezogen und habe meine Kollegen ausgefragt. Die fanden das süß – und wollten danach immer wissen, was für neue Fragen angekommen sind. Alle auf der Neumayer-Station waren im Kinderfragenfieber!
ZEIT: Gab es eine Lieblingsfrage?
Steffi: Wir fanden alle die Frage sehr lustig, wie dick mein Schlafanzug ist. Denn auf der Station ist es ja warm. Aber als ich dann in meiner Wollunterwäsche im Zelt lag und fror, musste ich wieder an diese Frage denken. Die Kinder waren immer in Gedanken mit dabei.
ZEIT: Hast du durch die Kinder auch etwas gelernt?
Steffi: Und ob! Vieles, was ich selbst nicht beantworten konnte, habe ich mir von Kollegen erklären lassen. Zum Beispiel, warum Pinguine schwarz und weiß sind. Das habe ich seitdem schon vielen anderen erklärt. Wir Erwachsenen kommen uns ja manchmal blöd vor, gewisse Fragen zu stellen. Kinder hauen sie einfach raus, das ist toll.
ZEIT: Nach 112 Tagen in der Antarktis ging es zurück nach Bremen. Was hast du als Erstes gemacht, als du wieder zu Hause warst?
Steffi: Ich habe jede Menge frisches Obst gegessen, denn das hat mir echt gefehlt. Meine erste Mahlzeit: Weintrauben, dazu ein frisch gepresster Orangen-und-Grapefruit-Saft.
Das Gespräch führte Katrin Hörnlein